ZOONOSEN

Seit Monaten ist die Regierung und die Pharmaindustrie u.a. durch die Erforschung eines Impfstoffes bestrebt die Symptome der Covid 19 – Pandemie einzudämmen und zu bekämpfen. Was unbeachtet und vernachlässigt bleibt, ist die eigentliche Ursache, die diese Pandemie erst ermöglicht hat. Unser gesellschaftliches Mensch-Tier-Verhältnis bleibt unangetastet und die Bestrebung dies grundlegend ändern zu müssen, wird konsequent ignoriert und als nicht umsetzbar abgetan. Aus diesen Gründen ist es uns ein Anliegen folgenden Textauszug in unserem Zine zu veröffentlichen:

ZOONOSEN
Wenn Krankheiten Speziesgrenzen überschreiten
von Ina Schmidt (gekürzte Version)

Zoonosen sind Infektionskrankheiten, welche wechselseitig über Speziesgrenzen hinweg übertragenwerden. […] Zu den ältesten der mehr als 200 bekannten Zoonose-Krankheiten zählen unter anderem Tuberkulose, Tollwut, Pest, Cholera und Influenza sowie zahlreiche lebensmittelbedingte Infektionskrankheiten wie Salmonellose und Listeriose. Hinzu kommen viele neu auftretende Krankheiten wie Ebola, SARS, MERS und verschiedene antibiotika(multi)resistente Erreger.
[…]
Insbesondere aufgrund zunehmender Umweltzerstörung, Klimaveränderungen und der intensiven Ausbeutung von Tieren und Natur sind Zoonosen weltweit von wachsender Bedeutung. Eine im Jahr 2008 in der Fachzeitschrift Nature veröffentlichte Studie [1] untersuchte den Ursprung von 335 Infektionskrankheiten, welche zwischen den Jahren 1940 und 2004 identifiziert wurden. 202 der sogenannten neu auftretenden Infektionskrankheiten (Emerging Infectious Diseases, kurz: EIDs) haben demnach einen zoonotischen Ursprung. Rund 60 Prozent der Erreger wurden also von nichtmenschlichen Tieren auf Menschen übertragen. Mit mehr als 70 Prozent stammt die Mehrheit dieser Zoonosen von sogenannten Wildtieren. Wie die Studie ebenfalls zeigt, nahm die Anzahl der Infektionskrankheiten über die Jahrzehnte stetig und deutlich zu und erreichte ihren Höhepunkt in den 1980er Jahren.
[…]
Basierend auf den Daten des Netzwerkes Global Infectious Disease and Epidemiology (GIDEON) untersuchten Wissenschaftler*innen der US-amerikanischen Brown University mehr als 12.000 Ausbrüche von 215 Infektionskrankheiten, die in den Jahren von 1980 bis 2013 in 219 Ländern auftraten und rund 44 Millionen Menschen betrafen. [2] Die Ergebnisse belegen eine Verdreifachung der Ausbrüche von Infektionskrankheiten seit den frühen 1980er Jahren.
[…]

Dass sich (zoonotische) Infektionskrankheiten häufen, ist ein Debakel mit Ansage. Denn ihre Entstehung ist ein Zusammenspiel der Zerstörung von natürlichen Lebensräumen und der Abnahme der Artenvielfalt. In intakten (Regen-)Wäldern verteilen sich die in ihnen lebenden Tiere und die Individuen begegnen sich nur selten. Krankheitsausbrüche werden schnell begrenzt, da infizierte Tiere nur wenige andere Tiere anstecken können. Die Krankheitsausbreitung wird somit rasch wieder gestoppt. Anders verhält es sich in gestörten Lebensräumen. Sterben bestimmte Tierarten aus und die Artenvielfalt nimmt ab, besetzen die überlebenden und anpassungsfähigeren Tierarten den gesamten Lebensraum. Die „Populationsdichte“ nimmt zu. Das Infektionsrisiko steigt. Und mit ihm nimmt auch die Wahrscheinlichkeit von Mutationen zu, welche letztlich auch die Artenbarriere durchbrechen könnten. Gleichzeitig verlieren Tierarten, deren Individuenzahl abnimmt, ihre genetische Vielfalt, welche insbesondere bei Immungenen und der Abwehr von Erregern eine besonders wichtige Rolle spielen. Aufgrund intensiver Landnutzung, (Regen-)Waldzerstörung und Klimaveränderungen, werden natürliche Lebensräume außerdem immer kleiner.Tiere teilen sich die verbliebenen Gebiete und müssen immer enger zusammenrücken. Auch dringen Menschen mit ihren „Nutztieren“ tiefer in Lebensräume vor. Die unmittelbare Nähe von Menschen, „Nutz-“ und „Wildtieren“ erhöht das Infektionsrisiko zusätzlich. Auch auf (Wild-) Tiermärkten kommen viele Tiere unterschiedlicher Spezies auf engstem Raum zusammen, die sich ansonsten gar nicht begegnen würden. So erhöhen diese Märkte wie auch der Verkauf von „Buschfleisch“ die Wahrscheinlichkeit der ansonsten beschränkten Entwicklung neuer Viren. […] Wenn viele Individuen auf engem Raum zusammenkommen, steigt das Risiko von Infektionskrankheiten. […] Für einen bestmöglichen Schutz vor Infektionskrankheiten ist genetische Vielfalt von großer Bedeutung. In der Tierindustrie beschränkt sich die Zucht jedoch meist auf einen sehr kleinen Genpool, was die betroffenen Tiere zusätzlich anfälliger macht für Infektionskrankheiten. Welches Potential die Tierindustrie für die Entstehung neuer Infektionskrankheiten hat, zeigte sich bereits deutlich in der Vergangenheit. So sind insbesondere Schweine, aber auch „Geflügel“ und Rinder, von wesentlicher Bedeutung bei der Entstehung neuer Viren in der Tierindustrie – und das nicht nur in der sogenannten Massen- oder, beschönigender ausgedrückt, Intensivtierhaltung. Schweine sind eben, wie auch andere Tiere, nicht nur Ware, sondern Lebewesen. Schweine können sich sowohl mit Vogelgrippe, als auch menschlichen Influenzaviren infizieren.[…]Was das letztlich bedeuten kann und welches Potenzial zur Entstehung neuer (humanpathogener) Viren die Tierindustrie tatsächlich hat, zeigt sich beispielhaft am Influenzavirus A/H1N1/2009, umgangssprachlich auch als „Schweinegrippe“ bezeichnet. Dem hochansteckenden Virus gelang es im Frühjahr 2009 von Schweinen auf Menschen überzuspringen und sich binnen weniger als zwei Jahren ausgehend von Mexiko über die USA und letztlich die ganze Welt auszubreiten. Weltweit starben in der Folge mehr als 280.000 Menschen an der Schweinegrippe [3].Bereits vor gut 100 Jahren schaffte es schon einmal ein Influenzavirus, ebenfalls vom Subtyp A/H1N1, den Weg aus dem Schweinestall zum Menschen: Die sogenannte Spanische Grippe [4] begann im März 1918, gut ein halbes Jahr vor Ende des Ersten Weltkriegs, im US-Bundesstaat Kansas als gewöhnliche Grippe und verlief zunächst harmlos mit Husten und Fieber, wenige Infizierte starben. Ehe es zu einer zweiten Infektionswelle im Herbst 1918 kam, mutierte das Virus erneut. Das hochinfektiöse Virus wurde aber nicht schwächer, wie es meist der Fall ist, sondern tödlicher. An der Spanischen Grippe starben in den Jahren 1918 bis 1920 Schätzungen zufolge 50 Millionen Menschen. [5] Andere Schätzungen gehen sogar von bis zu 100 Millionen Toten aus. Die Spanische Grippe tötete damit mehr Menschen, als der Erste Weltkrieg (17 Millionen). [6]
[…]
Während in Gesellschaft und Politik viel für den Erhalt von Unternehmen, Konzern und ganzen Wirtschaftszweigen unternommen wird, leiden unter Epidemien und Pandemien insbesondere diejenigen, die ohnehin ganz unten in der Gesellschaft stehen. Besonders betroffen sind Menschen, die sich auf der Flucht befinden, in Lager und Knäste gesperrt werden, die Hunger leiden oder keinen Zugang zu medizinischer Versorgung und Hygienemöglichkeiten erhalten. Ebenso leiden und sterben unzählige nichtmenschliche Individuen in Tierversuchen für die Grundlagenforschung und Impfstoffentwicklung. [7]
[…]
Sowohl die direkten als auch indirekten Folgen von Epidemien beziehungsweise Pandemien sind derart weitreichend, dass sie mit einem einfachen Blick kaum zu überschauen sind. Zweifelsfrei ist, solange sich politisch wie gesellschaftlich nicht grundlegend etwas ändert, werden auch in Zukunft bekannte wie neue Infektionskrankheiten viel Leid mit sich bringen.

[1] www.nature.com/articles/nature06536.pdf
[2] https://doi.org/10.1098/rsif.2014.0950
[3] https://de.statista.com/statistik/daten/studie/1101352/umfrage/fallzahl-und-todesop-fer-ausgewaehlter-virusausbrueche-weltweit/
[4] www1.wdr.de/stichtag/stichtag7314.html
[5] https://de.statista.com/statistik/daten/studie/28944/umfrage/anzahl-der-todesfaelle-durch-grippe-pandemien/
[6] https://de.wikipedia.org/wiki/Erster_Weltkrieg
[7] Siehe hierzu auch: Bündnis für gesellschaftliche Tierbefreiung: Hintergrundtext 1 – KeineTierversuche für die Bekämpfung von COVID-19. www.tierbefreier.org/tierversuche-covid-19/

Auszüge aus dem originalen Text “Zoonosen. Wenn Krankheiten Speziesgrenzen überschreiten” von Ina Schmitt. Veröffentlicht in der Zeitschrift “Tierbefreiung”, Heft 108.https://www.tierbefreiung.de/tierbefreiung-108/

Diesen und weitere Artikel findest du in unserem Zine: Zusammenhalt – Solidarität und Kritik in der Coronapandemie.

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